Die Grabenstätter Geologin Andrea Krammer hat am 13.12.2019 auf Einladung des Heimat- und Geschichtsvereins Achental das Projekt „Römerregion Chiemsee“ vorgestellt. Zahlreich kamen die Zuhörer in den Gasthof Mühlwinkl in Staudach.
Zunächst erklärte Krammer, dass die zahlreichen Funde rund um den Chiemsee aus der Vor- und Frühzeit stammen. Die wertvollsten davon sind allerdings in Münchener Museen ausgestellt. Ziel der Römerregion Chiemsee ist es dagegen, die Fundorte erleb- und erfahrbar zu machen. Auf Veranlassung des Bernauer Bürgermeisters Philipp Bernhofer trafen sich im Januar 2018 Vertreter mehrerer Gemeinden, um zu überlegen, was sie zur Römerregion beitragen könnten. Insgesamt elf Orte haben sich nun zusammengeschlossen: Aschau, Bad Endorf, Bergen, Bernau, Breitbrunn, Chieming, Grabenstätt, Grassau, Pittenhart, Prien und Seebruck.
Bei der Römerregion handelt es sich um die Provinz Noricum am nördlichen Rand des römischen Reichs, welche in etwa dem heutigen Österreich bis zum Inn entspricht. Schon früh hatte die römische Verwaltungselite herausgefunden, wie einzigartig die Lage am Chiemsee und wie wunderbar die sanfte und fruchtbare Chiemseelandschaft ist. Inschriften belegen, dass der Chiemgau schon damals eine „Genussregion“ und bevorzugte Gegend für Sommerresidenzen der Römer war. Fundamente eines Bedaius-Tempels wurde unter der heutigen Kirche in Seebruck gefunden. Die Gegend um Bedaium ist die besterforschte Römerregion in Bayern. Zahlreiche Funde zeugen von einer Handwerker- und Händlersiedlung an der Straße, die von Salzburg nach Augsburg führte.
Ausgehend von der Inschrift eines Grabsteins, der in Seebruck gefunden wurde, sieht das Konzept zwei Kinderfiguren – Anni und Marcus – vor. Anni ist die Kurzform von Annilio, einem Mädchen, das noch viel Keltisches an sich hat, während Marcus mit seinem typisch römischen Namen der Vertreter der Römer und ihrer Lebenswelt darstellt. Einzigartig für die Römerregion Chiemsee ist die Tatsache, dass die Ablösung der keltischen Kultur durch die Römer vollkommen friedlich vor sich ging. Es gab keinerlei Kämpfe in unserer Gegend und das macht einen besonderen Reiz des Projektes aus, denn was römische Soldaten hinterlassen haben, gibt es zuhauf an andern Orten.
Nacheinander stellte Andrea Krammer nun die Mitgliedsgemeinden mit ihren Funden vor. In Grabenstätt hatten sich die Römer wegen des Vorkommens an Eisen und der von den Kelten hervorragend praktizierten Eisenverhüttung eingefunden. So wird in Grabenstätt eine Schautafel entstehen, die nicht nur Information bietet, sondern auch Anni mit einem Gladius, einem römischen Schwert keltischer, meisterhafter Schmiedekunst zeigt. Das Klaushäusl (Museum Salz und Moor) zeigt, wie die Vegetation zu Zeiten der Römer ausgesehen hat. Die Kelten kannten sich sehr gut mit Heilpflanzen aus – so erntet Anni Heilziest. 1958 wurde in Bernau eine komplette Therme ausgegraben. Die Badekultur ist etwas typisch Römisches. Die Wasserabfolge kalt-lau-heiß gibt es nur in deren Tradition, vorher bei den Kelten nicht und auch danach nicht wieder. Badehäuser wurden in allen Gegenden gefunden, die die Römer besiedelt haben, egal, ob in England oder Nordafrika. Aschau dagegen ist ein Rückzugsort. Das leitet sich aus einem Fund von 800 Silbermünzen, zahlreichen Armreifen und Fibeln ab, die in einem Topf vergraben gefunden wurden. Hier haben sich Römer Höhen und Hanglagen gesucht, um ihr Hab und Gut zu verstecken, was spätestens 235 Jahre nach Christus notwendig wurde, als Alemannen in unsere Region einfielen, die Gegend schwer verwüsteten und alle Häuser in Brand steckten.
Prien, Breitbrunn und Bad Endorf warten mit Spuren hochwertiger Wohnkultur auf. Dort wurden Schlossbeschläge, Wasserhähne und Reste herrschaftlicher Gutshöfe gefunden.
Auf verschiedene Weise werden die Fundorte präsentiert: es gibt die Kindergeschichten um Anni und Marcus, es gibt ein Fenster in die Vergangenheit, durch das man sehen kann, wo die Römer sich aufgehalten haben, eine Online-Rätselrallye speziell für Kinder wird ebenso wie eine gemeinsame Webseite entwickelt. Mosaikpuzzle, ein Bodenlabyrinth und weitere Vermittlungsformate werden die einzelnen Stationen ergänzen.
Insgesamt ein großartiges Projekt, das mit viel Mühe und großem persönlichen Einsatz der Projektleiterin Annette Marquard-Mois ins Leben gerufen wurde und das mit Sicherheit ein neuer kultureller Anziehungspunkt im Chiemgau sein wird. Die Website ist inzwischen auch online: Römerregion Chiemsee
Susanne Tofern